Auswirkungen effzienter Schmierfette auf die BEV-Reichweite

 

Der Einsatz von Schmierfetten in teil- (HEV) oder vollelektrifzierten Pkw (BEV) kann einen positiven Einfuss auf deren Reichweite nehmen. Die Priorisierung einzelner Fahrzeugkomponenten beim Thema Reibungs- minimierung, die Vorteile effzienter Schmierfette sowie die speziellen Anforderungen, die elektrifzierte Fahrzeuge an diese Betriebsstoffklasse stellen, werden hier von Fuchs Schmierstoffe erklärt.

© Fuchs Schmierstoffe

Um einzelne fettgeschmierte Komponenten in batterieelektrischen Fahrzeugen (Battery Electric Vehicles, BEVs) oder in Hybridfahrzeugen (Hybrid Electric Vehicles, HEVs) klassifzieren zu können, nahm Fuchs Schmierstoffe eine Analyse vor und vergab darin wirkungsgradrelevante Prioritätsgrade. Diese defnieren sich über die Dauer der Versorgung der einzelnen Kompo- nenten mit Strom von der Fahrzeug- batterie. Je länger eine Komponente auf die Energie der Batterie zugreift, desto höher ist deren Stromverbrauch.

Eine effziente sprich reibungsarme Schmierung kann den Wirkungsgrad verbessern, dadurch den Energiebedarf reduzieren und somit einen konstruk- tiven Beitrag zur Verlängerung der Fahrzeugreichweite leisten. Demnach besitzen Komponenten mit einem höhe- ren Stromverbrauch auch ein größeres Potenzial zur Erhöhung der Reichweite durch Effzienzsteigerung. Im Sinne einer optimierten Fettschmierung wurden drei wirkungsgradrelevante Prioritäten defniert, die im Folgenden vorgestellt werden.

ERSTE PRIORITÄT: ANTRIEBSSTRANG

Der Priorität im Bereich Antriebsstrang werden Komponenten zugeordnet, die entweder Teil des Antriebsstrangs oder direkt mit ihm verbunden sind. Sie agie- ren während des Fahrzeugbetriebs per- manent als direkter oder indirekter Strom- verbraucher der Fahrzeugbatterie. Für die erste Priorität sind beispielsweise die fett- geschmierten Lager im Traktionselektro- motor, die Radlager oder die Gelenkwel- len einberechnet. Bei diesen Komponen- ten ist die potenzielle Energieeinsparung durch die Erhöhung des Wirkungsgrads groß, da für deren Betrieb der größte Anteil der Batterieenergie benötigt wird. Daher kann eine Effzienzsteigerung die- ser Komponenten am stärksten zur Ver- längerung der Reichweite beitragen. Kom- ponenten der ersten Priorität stehen mitt- lerweile besonders bei der Entwicklung reibungsarmer Schmierfette im Fokus.

ZWEITE PRIORITÄT: PERMANENT SERVO-UNTER- STÜTZENDE KOMPONENTEN

Zur zweiten Priorität zählen Kompo- nenten, die zwar ebenfalls permanent in den Fahrbetrieb eingebunden sind, allerdings nur unterstützend mitwir- ken. Dazu gehören beispielsweise die Lenkung, der Bremskraftverstärker oder der Kühlerventilator. Ein optimierter Wirkungsgrad dieser Komponenten, der durch reibungsarme Schmierfette realisiert werden kann, hat nicht mehr so umfassende Auswirkungen auf die Reichweite des Fahrzeugs wie eine Ver- besserung im Antriebsstrang nach erster Priorität. Dennoch sind auch bei diesen Komponenten Potenziale zur Energie- einsparung durchaus vorhanden.

DRITTE PRIORITÄT: TEMPORÄR SERVO-UNTER- STÜTZENDE KOMPONENTEN

Als dritte Priorität eingestuft werden Komponenten, die nur zeitlich begrenzt genutzt und somit nur temporär mit Energie der Fahrzeugbatterie gespeist werden. Dazu zählen zum Beispiel die Parkbremse oder die Sitzverstellung. Da diese Bauteile nur zeitweise als elektrische Verbraucher agieren, ist ihr Potenzial zur Verlängerung der Reichweite wesentlich geringer als bei Komponenten der beiden ande- ren Prioritäten. Jedoch können auch Komponenten der dritten Priorität durch den Einsatz effzienter Schmier- fette einen positiven Einfuss auf die Reichweite des Pkws nehmen. Dies wird vor allem durch synthetische Schmier- fette erreicht, die zu geringeren Los- brech- und Antriebsmomenten auch bei tiefen Temperaturen (bis zu -40 °C) führen und somit eine niedrigere elek- trische Bereitstellungsleistung erfordern.

BETRACHTUNG UND VORTEILE DER WIRKUNGSGRAD- RELEVANTEN PRIORITÄTEN

Die beschriebene Einstufung in die drei genannten Prioritäten führt zu einer fokussierten Betrachtung der Schmierfettanwendungen in HEVs und BEVs. TABELLE 1 ordnet den drei Prioritäten die fettgeschmierten Kom- ponenten im Automobil zu. Die Reibungsminimierung einer Fett- schmierung kann durch eine geringe Grundölviskosität sowie spezielle, opti- mierte Verdickersysteme und Additiv- technologien erreicht werden. Eine Rei-bungsreduzierung ist vor allem für Kom- ponenten der wirkungsgradrelevanten ersten Priorität von Bedeutung. Durch geringere Leistungsverluste im Antriebs- strang, die auch auf eine niedrigere Rei- bung in diesen Komponenten zurückzu- führen sind, kann der Stromverbrauch des Fahrzeugs gesenkt werden. Die Rei- bungszahl μ beschreibt unter anderem die innere Reibung des Schmierstoffs, die im Bereich der hydrodynamischen Schmierung erhebliche Auswirkungen auf den Wirkungsgrad der Komponenten haben kann.

Die Entwicklung effzienter Schmier- fette erfordert eine präzise Messung der schmierfettabhängigen Reibung in Mo- dell- oder Komponentenprüfständen unter möglichst praxisnahen Belastungs- bedingungen. Eine Möglichkeit hierzu bietet die sogenannte Mini Traction Machine (MTM) von PCS Instruments. BILD 1 beinhaltet die Messergebnisse eines MTM-Prüfaufs und zeigt deut- lich den Reibungsunterschied zwischen einem Standard- und einem reibungs- optimierten Radlagerschmierfett. Es wird deutlich, dass die Reibungszahl des optimierten Schmierfetts verglichen mit dem Standardradlagerfett um 50 % reduziert wurde (μ = 0,015 statt 0,030) und somit ein positiver Einfuss auf den Wirkungsgrad der Komponente genom- men werden kann.

In den meisten Fällen werden reibungs- arme Schmierfette mit dünnen Basisöl- viskositäten formuliert. Dies kann jedoch zu einem vorzeitigen Ausfall von Wälz- lagern durch Verschleiß oder Ermüdung führen. Um dem entgegenzuwirken, be- darf es einer ausgeklügelten Auswahl an Basisöltypen und Schmierfettadditivie- rung. Fuchs Schmierstoffe verfügt über einen modifzierten FE8-Prüfstand (Basis nach DIN 51819), mit dem die Ermüdungslebensdauer von Wälz- lagern bei kritischen Last- und Dreh- zahlbedingungen geprüft werden kann. Dabei wird das Lager vibra- tionsüberwacht und die Prüfung bei einer Grenzüberschreitung abgebro- chen. Somit kann beurteilt werden, ob das Schmierfett die Eintrittswahr- scheinlichkeit eines vorzeitigen Lager- ausfalls durch Verschleiß oder Ermü- dung verringern kann.

Neben der Reibwertreduzierung haben effziente Schmierfette wei- tere Eigenschaften, die sich positiv auf die Reichweite eines BEV oder HEV auswirken können. So kann beispielsweise die spezifsche Belast- barkeit eines Bauteils deutlich er- höht werden. Wird dies bereits in der Konstruktionsphase des Fahr- zeugs berücksichtigt, kann das Bau- teil bei gleichbleibendem Leistungs- vermögen kleiner und leichter ent- wickelt werden. Die dadurch erzielte Gewichtseinsparung kann helfen, die Reichweite zu verbessern.

Der Effekt der höheren spezifschen Belastbarkeit ist primär auf Kompo- nenten der ersten und zweiten Priori- tät anwendbar. Ein typisches Beispiel hierfür ist die Gelenkwelle. Dieses als Downsizing bekannte Prinzip wird bereits in zahlreichen Verbrennungs- motor-Modellen praktiziert. Wie bereits beschrieben können optimierte synthe- tische Schmierfette die erforderliche elektrische Bereitstellungsleistung re- duzieren. Im günstigsten Fall erlaubt dies einen verringerten Durchmesser elektrischer Leitungen und führt somit zu einer Gewichtseinsparung. BILD 2 fasst die beschriebenen Vorteile opti- mierter Schmierfette zusammen.

EINE WEITERE ANFORDERUNG AN SCHMIERFETTE: PARTIKELREINHEIT

Neben der bereits beschriebenen Rei- bungsoptimierung werden bei Fuchs Schmierstoffe für den Bereich Elektro- mobilität drei weitere Hauptanforde- rungen an Schmierfette gestellt. Dabei handelt es sich um Geräuscharmut, lange Fettgebrauchsdauer und hohe Drehzahlgrenzwerte sowie die Eig- nung für Wälzlager, die elektrischen Strom führen. Jede der genannten Eigenschaften kann dank moderner Prüfverfahren überwacht und unter- sucht werden. Dadurch können quali- fzierte Aussagen über die Eignung eines Schmierfetts getroffen werden.

Hintergrund der Anforderung an die Geräuscharmut ist nicht allein die Mini- mierung der Eigengeräusche einer Fahr- zeugkomponente, da die Geräusche der abrollenden Reifen und des Fahrtwinds die Vorteile einer leiseren Fettschmie- rung bereits bei erhöhten Geschwindig- keiten nicht mehr zur Geltung kommen lassen [1]. Viel bedeutsamer ist, dass das Geräuschverhalten von Schmierfet- ten hauptsächlich durch deren Sauber- keit (chemische Reinheit) beeinfusst wird. Bereits der Einsatz geräuscharmer beziehungsweise mechanisch hochrei- ner Schmierfette führt zu einer höheren rechnerischen Lebensdauer von Wälz- lagern [2]. Dank der Partikelfreiheit geräuscharmer Schmierfette können dünnere Basisöle mit niedrigerem Reibwert zur Verbesserung des Wir- kungsgrads von Wälzlagern und Gleit- paarungen eingesetzt werden, ohne dabei deren Lebensdauer zu reduzieren.

Daher wird bei Fuchs Schmierstoffe das Geräuschverhalten von Wälzlager- schmierfetten mit den Verfahren BeQuiet+ und MoreQuiet geprüft. BILD 3 zeigt Auszüge einer MoreQuiet- Geräuschprüfung zweier Schmierfette. Das optimierte Wälzlagerschmierfett weist gegenüber einem moderat ge-räuscharmen Schmierfett ein deutlich ruhigeres Geräuschverhalten auf, was in einer besseren Geräuschklasse (II/1 statt II/2) resultiert.

Eine hohe Drehzahl- und Temperatur- eignung bei möglichst langer Gebrauchs- dauer sind Kernanforderungen für die Fettschmierung der Wälzlager in Trakti- onselektromotoren. Fettgebrauchsdauer- prüfungen führt Fuchs Schmierstoffe mit seinen Prüfständen SKF ROF+ und FAG FE9 bei bis zu +180 °C durch. Die Dreh- zahleignung beziehungsweise der obere Drehzahlgrenzwert wird mit der Prüf- maschine FAG WS 22 bestimmt.

STROMFÜHRENDE LAGER UND IHRE FETTE

Zu den bislang weniger betrachteten Ei- genschaften von Schmierfetten zählt die Eignung für stromführende Wälzlager. Aufgrund des vergleichsweise hochdyna- mischen Betriebs von frequenzgesteuer- ten Traktionselektromotoren gewinnt sie jedoch zunehmend an Bedeutung, da die Wälzlager dabei oft schädlichem Stromdurchgang ausgesetzt sind und dadurch schneller verschleißen. Welche Eigenschaften ein Schmierfett haben muss, um auch bei diesen Bedingungen ausreichend zu schmieren, ist noch nicht abschließend erforscht. Eine dabei häufg diskutierte Eigenschaft ist die spezifsche elektrische Leitfähigkeit des Schmier- fetts, die zum Beispiel mittels leitfähiger Additive oder Basisöle beeinfusst wer- den kann. Mit einer möglichst hohen elektrischen Leitfähigkeit des Schmier- fetts wird bezweckt, dass die Höhe der elektrischen Durchschlagsenergie auf das Schmierfett und das Lager möglichst gering ausfällt. Dadurch sollen Schäden am Schmierstoff und am Lager verrin- gert werden. Ob dies der richtige Ansatz ist, wird sich noch zeigen und bedarf weiterer interdisziplinärer Forschung.

Mit dem Dielectro-Rheological Device (DRD) von Anton Paar verfügt Fuchs Schmierstoffe über ein modernes Prüf- gerät, um diese elektrischen Eigenschaf- ten frischer und bereits beanspruchter Schmierfette charakterisieren zu können. Die Kombination eines Rotationsrheome- ters mit dem Messaufbau eines Platte- Platte-Kondensators, gepaart mit einem Impedanzspektrometer, erlaubt Messun- gen des spezifschen elektrischen Wider- stands sowie der Leitfähigkeit und der Permittivität. Die Prüfbedingungen sind über einen breiten Temperaturbereich von -40 bis 150 °C und einen Frequenz- bereich von 20 Hz bis 20 MHz frei wählbar. Der Versuchsaufbau ermöglicht zudem die Untersuchung eines Schmier- fetts bei Scherbeanspruchung. TABELLE 2 stellt die elektrischen Eigenschaften von konventionellen und leitfähigen Schmier- fetten gegenüber, während BILD 4 dazu die Impedanzkurven zeigt.


FAZIT

Die Anforderungen der Elektromobilität an die eingesetzten Schmierfette sind nicht neu. Jedoch hat sich deren Priori- sierung verändert. Der Fokus hat sich weiter auf die Reibungsreduzierung und die damit verbundene Erhöhung des Wirkungsgrads verschoben. Zudem gewinnen Geräuscharmut sowie die Eignung für bestromte Wälzlager zu- nehmend an Bedeutung. Werden diese Anforderungen bei der Entwicklung effzienter Schmierfette berücksichtigt, können sie einen spürbaren positiven Einfuss auf die Reichweite von Elektro- fahrzeugen nehmen.

AUTOREN

Julian Zschippig, B. Sc.
ist Anwendungstechniker
für Schmierfette bei der
Fuchs Schmierstoffe GmbH
in Mannheim.

Thomas Litters
ist Senior-Experte für Schmierfette
bei der Fuchs Schmierstoffe GmbH
in Mannheim.

 

LITERATURHINWEISE
[1] Umweltministerium NRW: Leise fahren. Online: https://www.umwelt.nrw.de/umwelt/umwelt-und- gesundheit/laerm/strassen-und-schienenverkehrs- laerm/leise-fahren, aufgerufen: 13. Juli 2021
[2] GfT e. V.: Arbeitsblatt 3. Wälzlagerschmierung. Kap. 3, Jülich: September 2006


Quelle