Präzisionslager für medizinische Anwendungen: Diese Faktoren bestimmen Leistung und Zuverlässigkeit

 

Von Alexander Bloos, Vertriebs- und Anwendungsingenieur, HQW Precision GmbH

Medizinische Geräte stellen höchste Anforderungen an die Zuverlässigkeit ihrer Komponenten. Präzisionslager gehören dabei zu den kritischen Bauteilen, von denen oftmals unmittelbar die Sicherheit der behandelten Patienten abhängt – zum Beispiel bei chirurgischen Elektrowerkzeugen, Beatmungsgeräten oder Herzpumpen. Umso wichtiger ist die Spezifikation und Auswahl der passgenauen Wälzlager.

Entwicklung und Zulassung von Medizinprodukten sind häufig langwierig und kostenintensiv. Jedes Bauteil muss bewusst gewählt werden, um die Ansprüche an Leistung und Zuverlässigkeit zu erfüllen – auch bei jahrelangem Einsatz, unter schwierigen Umgebungsbedingungen und hoher Belastung. Konstrukteure müssen dabei neben den speziellen Anforderungen der Anwendung auch Faktoren wie Korrosionsbeständigkeit, Schmierung und eingesetzte Materialien für die Kugellager berücksichtigen. Mit passgenauen Präzisionslagern reduzieren sie das Risiko von teuren Re-Designs und erneuten Zulassungsverfahren – von den Folgen eines Ausfalls im Praxiseinsatz ganz abgesehen.

Spezialwerkstoffe verbessern Korrosions- und Temperaturbeständigkeit

Korrosionsbeständigkeit ist ein ausschlaggebender Faktor für chirurgische Werkzeuge und Medizingeräte, die wiederholt sterilisiert werden müssen. Daher ist es essenziell, dass die Lager in den Geräten den aggressiven Chemikalien des Sterilisationsprozesses und den hohen Temperaturen von bis zu +140°C in den Autoklaven standhalten. Der Werkstoff der Wälzkörper, der Ringe und des Käfigs muss hier sorgfältig gewählt werden. Bewährt hat sich dafür zum Beispiel der Hochleistungswerkstoff X30CrMoN15-1 – 30X -, der einen hohen Chromgehalt von 14 – 16 Prozent aufweist und damit eine deutlich höhere Korrosionsbeständigkeit als Standard-Wälzlagerstähle bietet.

Gut geschmiert: für lange Lebensdauer und Biokompatibilität

Eine gute Schmierung ist für die Leistung von Lagern ebenso unerlässlich. Art und Menge des Schmierstoffs haben einen deutlichen Einfluss auf die Funktionseigenschaften und die Lebensdauer der jeweiligen Anwendung. Bei Lagersystemen, die auf eine Fettschmierung angewiesen sind, muss sichergestellt werden, dass dieses biokompatibel ist. Gesundheitsschäden des Patienten werden damit auch bei Kontakt des Schmierstoffes zum Gewebe verhindert. Häufig empfiehlt es sich dafür, eine gemäß NSF H1/H2 zertifizierte Schmierung zu spezifizieren. H1-Schmierstoffe werden in kleinen Mengen – sehr wenige Teile pro Million – als sicher für den menschlichen Verzehr eingestuft. H2-Schmierstoffe gelten als lebensmitteltauglich, sind aber keine spezifisch lebensmittelechten Produkte. Je nach Anwendung des Medizinprodukts können auch biokompatible Schmierstoffe nach DIN EN ISO 10993 in Betracht gezogen werden.

Bei Herzpumpen und anderen Implantaten ist eine Schmierung des Lagers unter Umständen überhaupt nicht möglich, um eine Gefährdung des Patienten durch den Schmierstoff ausschließen zu können. In solchen Fällen helfen Präzisionslager aus Spezialmaterialien, die auch ohne Schmierung eine zuverlässige Leistung und lange Lebensdauer gewährleisten. Dies gilt auch, wenn andere Flüssigkeiten in direktem Kontakt mit dem Kugellager stehen oder es sogar durchströmen.

Design und Material bestimmen Verschleißfestigkeit

Für eine lange Lebensdauer der Hochpräzisionslager – und damit der Medizingeräte – sorgen außerdem die richtige Auswahl geeigneter Kugel- und Ringwerkstoffe sowie das passende Produktdesign. Ein Werkstoff, der zur Verbesserung der Lebensdauer und Verschleißfestigkeit eines Lagers eingesetzt werden kann, ist 30X – ein martensitischer, durchgehärteter, korrosionsbeständiger Stahl. Dieses Material ist ideal für chirurgische Werkzeuge geeignet, da es den aggressiven Chemikalien, die im Sterilisationsprozess verwendet werden, standhält. Als Kugel-Werkstoff kommt in medizinischen Anwendungen unter anderem Siliziumnitrid zum Einsatz. Das Material bietet mit seinen inhärenten mechanischen Eigenschaften eine hervorragende Leistung, auch bei Anwendungen mit schlechter Schmierung oder wenn eine Schmierung nicht möglich ist. Lager aus rostfreiem Stahl (X65Cr13) bewähren sich ebenfalls in medizintechnischen Anwendungen und sind zum Beispiel für den Einsatz in Atemschutzgeräten geeignet. Sie verbinden eine gute Tragfähigkeit mit hoher Ermüdungsfestigkeit und Stabilität.

Gleichmäßige Lastverteilung durch optimiertes Käfigdesign

Die richtige Auswahl der Käfigkonstruktion und des Käfigmaterials ist ebenfalls maßgeblich für die Leistung eines Präzisionskugellagers. Der grundlegende Zweck des Käfigs ist es, einen gleichmäßigen Abstand zwischen den Wälzkörpern aufrechtzuerhalten, um zu verhindern, dass sie sich berühren. Damit gewährleistet er eine gleichmäßige Lastverteilung innerhalb des Lagers. Die Käfige können auch so konstruiert sein, dass sie das Drehmoment reduzieren und die Wärmeentwicklung minimieren. Dazu sollte das Käfigmaterial so verschleißfest wie möglich gewählt werden. Eine gute Option ist hier der Hochleistungskunststoff Polyetheretherketon (PEEK). Dieses Material ist auch von der NSF International als verträglich für den menschlichen Körper zertifiziert und damit optimal für ein Einsatz in medizinischen Anwendungen geeignet. Aufgrund ihres geringen Gewichts, ihrer Korrosionsbeständigkeit und ihrer geringen Reibung reduzieren diese Werkstoffe außerdem Verschleiß und Wärmeentwicklung. Dadurch können die Lager mit höheren Drehzahlen betrieben werden und die Lebensdauer der Fette wird verlängert. Bei Beatmungsgeräten bieten Torlon-Käfige eine hohe Lebensdauer und sind gleichzeitig kostengünstig, während bei Herzpumpen Käfige aus PEEK ideal geeignet sind: Der Werkstoff ist biokompatibel und kommt damit auch für Anwendungen in Frage, die mehr als 24 Stunden im menschlichen Körper verbleiben.

Hohe Anforderungen an Dokumentation und Rückverfolgbarkeit

Neben den Faktoren wie Material und Schmierung, die direkt zur Zuverlässigkeit der Präzisionslager beitragen, ist die Dokumentation zu den Komponenten ein wichtiger Aspekt für den Einsatz in der Medizinbranche. Die Anforderungen an Qualitätssicherung und Rückverfolgbarkeit von Geräten und Komponenten übersteigen hier deutlich die in anderen Branchen üblichen PPAP-Prozesse (Production Part Approval). Es muss sichergestellt sein, dass das Lagersystem mit der entsprechenden Komponentendokumentation gemäß der Qualitätsmanagementnorm ISO 9001 geliefert und diese mindestens 15 Jahre lang aufbewahrt wird. Die Dokumentation muss auch Zertifikate enthalten, die nach BS EN 10204:2004, Metallische Produkte, erstellt wurden. Mit dieser europäischen Norm für Prüfbescheinigungen für Stahl- (und andere) Produkte können Lieferanten nachweisen, dass die gesetzlichen und behördlichen Anforderungen in Bezug auf die chemischen und mechanischen Eigenschaften des Stahls erfüllt werden.

Aus der Praxis: Präzisionssonderlager für chirurgische Elektrowerkzeuge

Chirurgische Elektrowerkzeuge, wie zum Beispiel Sägen, die in der orthopädischen Chirurgie verwendet werden, übertragen die Rotationsbewegung vom Motor in eine lineare Bewegung. Die Lager sind für die Bewegung des Werkzeugs und einen dauerhaften effizienten Betrieb von entscheidender Bedeutung. HQW Precision wurde kürzlich von einem Hersteller von chirurgischen Elektrowerkzeugen beauftragt, eine neue Lagereinheit für eine chirurgische Hochleistungssäge zu entwickeln. Die Lager mussten kompakt genug sein, um in das schlanke Design des Werkzeugs zu passen. Dennoch sollten sie die notwendige Stabilität bieten, um die hohen Lasten und Betriebsgeschwindigkeiten zu bewältigen. Eine maximale Korrosionsbeständigkeit war ebenfalls gefordert. Die Experten von HQW Precision empfahlen eine dieser Spezifikation und der Belastung und Drehzahl entsprechende Nadellagereinheit. Da die Anlage regelmäßig sterilisiert wird, wurde für den Ring des Nadellagers ein spezielles Material mit einem hohen Chromgehalt von ca. 20 Prozent gewählt, das eine hohe Korrosionsbeständigkeit aufweist. Außerdem wurden die Nadeln aus dem Werkstoff 30X und ein Käfig aus PAI verwendet.

Die Lager befinden sich in der Nähe des Endes des Schneidwerkzeugs und arbeiten oft im Körper des Patienten. Deshalb wurde ein spezielles biokompatibles Schmierfett spezifiziert. Die Lagereinheit musste zudem hochpräzise und spielarm sein, um ein genaues Arbeiten der Säge zu gewährleisten und damit das bestmögliche Operationsergebnis für den Chirurgen und den Patienten zu erzielen. Die kleine Lagereinheit ist 4 x 13 x 8 mm groß, wobei die Passung zwischen den einzelnen Lagerkomponenten nur wenige Mikrometer beträgt. Dank dieser verbesserten Konstruktion hat sich die Lebensdauer des Chirurgiegerätes um ein Vielfaches erhöht und trägt damit zur Sicherheit der Patienten im gesamten Lebenszyklus des Medizingerätes bei.

Gemeinsame Entwicklung für maximale Leistung

In der Medizintechnik gibt es eine Vielzahl an Anwendungen für Wälzlager – von implantierbaren Geräten über Herzpumpen und Beatmungsgeräte bis hin zu hochpräzisen chirurgischen Instrumenten und robotergestützten Chirurgiegeräten. Höchste Zuverlässigkeit und Ausfallsicherheit stehen hier neben oft unterschiedlichen Anforderungen an Material und Eigenschaften. Optimale Ergebnisse wie im genannten Beispiel werden erreicht, wenn Konstrukteure des Medizingerätes oder der Komponente eng mit Experten für Präzisionslager zusammenarbeiten. Dabei unterstützt HQW seine Kunden mit umfassenden Dienstleistungen – vom Design und Engineering passender Lagersysteme bis zu umfassenden Tests und Analysen im eigenen, hochmodern ausgestatteten Labor. HQW Precision ist Marktführer für Hochpräzisionskugellager in Europa und spezialisiert auf kundenspezifisch konfigurierte Highend-Wälzlager und Lagerbaugruppen. Sie werden nach höchsten Standards in Deutschland gefertigt und zeichnen sich durch ein Höchstmaß an Qualität, Genauigkeit und Präzision aus. Das sorgt für eine lange Lebensdauer und maximale Sicherheit für den Patienten. Präzisionslager von HQW werden erfolgreich von führenden Unternehmen eingesetzt, in medizinischen Systemen ebenso wie in Luft- und Raumfahrtindustrie, Hochgeschwindigkeits-Werkzeugmaschinenspindeln und Robotik-Anwendungen.


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